Flickenteppich versus Staatsgebiet
1796: Anschluss an Bayreuth - „Preußenjahre“
Am 28. Januar 1792 übernahm der preußische Minister Karl August von Hardenberg im Namen des preußischen Königs offiziell die Markgrafentümer Brandenburg-Bayreuth und Brandenburg-Ansbach in preußischen Besitz. Der zuständige Minister Hardenberg hatte umfassende Vollmachten erhalten, um den Status einer preußischen Provinz in diesen beiden Fürstentümern herzustellen, und machte sich alsbald an die Arbeit ein umfassendes Reformprogramm umzusetzen. Einer der zentralen Punkte dessen bestand in der Schaffung eines geschlossenen Staatsgebietes, um den lange Zeit währenden Zustand des „Flickenteppichs“ dieser fränkischen Fürstentümer zu beseitigen. Dieses war in Hardenbergs Augen eine Grundvoraussetzung für jede Reform der Verwaltung oder die Erreichung der Stärkung der Wirtschaftskraft. Zentrales Projekt war daher zunächst ein geschlossenes Staatsgebiet und die Herstellungen eines einheitlichen Untertanenverbandes, sowie eine damit verbundene Erweiterung und Vergrößerung der Provinz.
Am 10. April 1796 wurde durch Hardenberg angewiesen, bei Widerstand gegen die Eingliederung Soldaten einzusetzen. Zudem verwarf Hardenberg alle von den Markgrafen geschlossenen Verträge, die nicht durch die preußische Hauptlinie des Hauses Hohenzollern ratifiziert worden waren. In der Folge wurde auch der 1699 geschlossene Landeshoheitsvertrag zwischen den Grafen von Giech und den Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth schlichtweg für nichtig erklärt und die Regierung gestand den Grafen in Thurnau nur noch wenige Privilegien zu, wie beispielsweise eine eigene Pfarrei.

So beanspruchte am 9. Mai 1796 eine preußische Kommission die Herrschaft über Thurnau, nicht ohne sich zuvor abgesichert zu haben, im Falle von Widerstand umgehend Soldaten zur Verfügung stehen zu haben. Auf diese Weise wurde letztlich durch die Drohkulisse militärischer Gewalt eine Rechtslage schlichtweg geändert und das preußische Territorium der Provinz Bayreuth erweitert. Eine Praxis die durch die Abkehr von geltenden Rechtsvorstellungen glänzt. Am 9. Juli erfolgte die offizielle Inbesitznahme durch Preußen. Als Beschwerdeinstanz gab es seit der Aufhebung des „privilegio de non appellando“ durch Hardenberg nur noch den preußischen König in Berlin, wobei diese selbstredend keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Hier tritt ganz klar in den Vordergrund wie das Reich, das derartige Rechte zuvor über Jahrhunderte gewahrt hatte, als Akteur nicht mehr die Bedeutung hatte, wie die Jahrhunderte zuvor. Recht wird hier ganz offen durch Macht gebrochen. Ein Territorium wird auf Kosten eines anderen erweitert. Ein Graf wird zugunsten des preußischen Königs seines Gebiets und seiner Unabhängigkeit beraubt. Der Gedanke, dass Recht nur so lange besteht, als es wirksam verteidigt werden kann, ist also keine besondere Errungenschaft der Neuzeit, sondern wird schon an diesem kurzen Beispiel zum Ende des 18. Jahrhunderts mehr als deutlich.
Referenzen
Literatur:
Endres, Rudolf: Hardenbergs fränkisches Reformmodell. Ersch. in: Stamm-Kuhlmann, Thomas (Hrsg.): Freier Gebrauch der Kräfte. Eine Bestandsaufnahme der Hardenberg-Forschung. München, 2001, S.31-49.
Vom Residenzort zur Landgemeinde. Ersch. in: Markt Thurnau (Hrsg.): Thurnau 1239-1989. Bayreuth, 1989. S.17-38.
Autoren: Luca Kost, Wolfgang Ficht
