Achtung Lücke
Im Juli 2022 sah ich einen großen Teil der Familie meiner Mutter seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder in Baltimore. Wir feierten die Hochzeit meiner Cousine Kit mit ihrem langjährigen Freund. Während der Pandemie gab es gelegentlich Zoom-Anrufe mit uns allen, aber diese waren nie so regelmäßig, wie sie zunächst angesetzt/vorgeschlagen wurden und das war das erste Mal in über zehn Jahren, dass wir uns alle trafen. Obwohl ich sie mein ganzes Leben lang kenne, habe ich mich ihnen nie nahe gefühlt. Drei der Cousins, die ungefähr in meinem Alter sind, leben in New York, einer in L.A., einer kam gerade aus China und zieht nach L.A. und der Letzte lebt in San Diego. Auch nur einen von ihnen von meinem Zuhause in „Kleinstadt North Carolina“ besuchen zu wollen, würde hunderte von Dollars kosten, somit hat sich in unserer Familie eine Kluft gebildet. Das hat mich dazu gebracht darüber nachzudenken, wie Distanz selbst ausreicht, um eine Familie zu zerrütten und welch starker Bindung es bedarf, dies zu überwinden. Meine Familie mütterlicherseits ist komplett im Nordosten aufgewachsen (New Jersey und Maryland), sie haben sich gegenseitig auf Parties und Familienveranstaltungen gesehen, weitaus häufiger, als es meiner Schwester und mir möglich war. Auf dieser Feier wurde ersichtlich, wie natürlich es für sie war zusammen zu sein, sie hatten Insider-Witze und die gemeinsame Sprache, die das Leben in großen Städten mit sich bringt. Da ich sie nicht mehr gesehen habe seitdem wir junge Teenager waren, was über zehn Jahre her ist, hat es sich angefühlt, als würde ich neue Menschen kennenlernen. Tatsächlich habe ich festgestellt, dass ich mit einem älteren Freund der Familie seitens des Ehemannes natürlicher umgehen konnte als mit meinen Cousins. Er war ein Architekt aus der Schweiz, der an verschiedenen Orten in Europa gelebt hat und als ich ihm erzählte, dass ich versuche nach Deutschland zu ziehen, konnte er mir Ratschläge geben, mit welchen kulturellen Unterschieden ich rechnen könne. Als ich in das Flugzeug stieg, um nach Hause zurückzufliegen, wurde mir bewusst, dass ich die Möglichkeit verschwendet habe meine Cousins besser kennenzulernen, als wir alle auf dem Weg zurück in unsere über das Land verstreuten Enklaven waren. Alle von beiden Seiten meiner Familie leben in den USA – wenn ich sie besuche, gibt es keine Grenzkontrollen, die meine Identität verifizieren, meinen Reisepass abstempeln, um festzuhalten wo ich war und ob ich mich dort zu lang aufgehalten habe. Aber es fühlt sich an, als würden wir sehr unterschiedliche Leben leben, weil sie mit ihrer Nordöstlichen Erziehung schnellere, exotischere Leben führen im Vergleich zu mir im ländlichen Süden. Es gibt Bezugspunkte in unseren Leben, welche uns in verschiedene Lebensbereiche und Referenzrahmen in Bezug auf unser Selbstverständnis separieren und weil wir so weit voneinander entfernt leben, können wir diese Unterschiede möglicherweise nie überbrücken.
Jack, 27.